Die Grenzen der Zystektomie
Bei Erstdiagnose eines Harnblasentumors liegt in ca. 75% der Fälle ein nicht muskelinvasives, nur auf die Schleimhaut begrenztes Tumorstadium, vor.
Diese Tumore werden in der Regel zunächst reseziert und je nach histopathologischer Einteilung, Größe und Anzahl einer weiteren ergänzenden Therapiestruktur zugewiesen. Die Therapien können von einer einfachen Nachuntersuchung mittels Blasenspiegelung, über eine erneute endoskopische Entfernung, bis hin zu einer kontinuierlichen Instillationstherapie der Blase in festgelegten Intervallen zur lokalen Tumorkontrolle reichen. Sollte es unter diesen Therapiestrategien jedoch zu erneutem Wiederauftreten, Verschlechterung des Tumorstadiums kommen, oder aber von Anfang an ein Stadium vorliegen in dem der Tumor bereits die Blasenmuskulatur infiltriert, ist eine Entfernung der gesamten Harnblase, bei Männern mit Entfernung der Prostata, bei Frauen mit Entfernung der Gebärmutter, der Eierstöcke und der Vorderen Scheidenwand indiziert.
Im Vorfeld sollte eine sog. neoadjuvante Chemotherapie, meist Platin-basiert empfohlen werden. Ebenso sollte ein, dem Patienten angepasster Weg der Harnableitung festgelegt werden. Diese Alternativen werden primär in kontinente und inkontinente Harnableitungen eingeteilt.
So kann auf einem längeren Darmsegment ein orthotoper Blasenersatz, also die Bildung einer neuen Blase (Neoblase) mit Platzierung an der anatomisch korrekten Stelle im Unterbauch und Anschluss an die verbleibende Harnröhre, bei gut operablen Patienten mit guter Prognose und Lebenserwartung, sowie wenig Komorbiditäten (Nebenerkrankungen) erfolgen. Bei Einschränkungen in der Operabilität oder schweren Vorerkrankungen bzw. zu erwartenden dringenden Nachbehandlungen des Tumors kann eine Vereinfachung der Operation und damit eine mögliche Verminderung der Komplikationen nach einer Operation durchgeführt werden. Diese zum Beispiel durch den Einsatz eines künstlichen Urinausgangs mittels kurzem Dünndarmstück (Ileumkonduit), in extremen Situationen durch direkte Ausleitung der Harnleiter aus der Bauchhaut (Ureterocutaneostomie, Harnleiterhautfisteln).
Die Entfernung der Harnblase ist ein operativer Eingriff, der je nach Komplexität des Tumorstadiums und der gewählten Methode der postoperativen Harnableitung einige teils schwere Komplikationen mit sich zieht kann. Eine neuere dänische Studie (1.) untersuchte rückblickend die Komplikationsrate nach radikaler Entfernung der Harnblase. Hier zeigte sich, dass die 80-Tages Komplikationsrate ca. 80% betrug, mit einem Protzentsatz von 37% von als schwer einzustufenden Komplikationen und 2,7% Todesfällen. Abhängig waren Schwere und Häufung der Komplikationen vom präoperativen Allgemeinzustand des Patienten. Je erkrankter ein Patient vor der Operation war, umso häufiger und gravierender zeigten sich Komplikationen.
Bei primär als inoperabel einzustufenden Patienten oder Patienten mit dringendem Organerhaltungswunsch kommt alternativ eine Radiochemotherapie in Betracht. Deswegen werden immer wieder Ansätze zu alternativen Therapiemethoden entwickelt. Auch wenn zum jetzigen Zeitpunkt die radikale Zystektomie der Goldstandard bleibt.
So ist zum Beispiel das Konzept der organerhaltenden Trimodalen Therapie zu erwähnen Diese Therapie besteht aus der Kombination aus lokaler, kompletter Tumorentfernung durch die Harnröhre, plus einer Radiochemotherapie. Hier ist aber die Zusammenarbeit von Operateuren mit Strahlentherapeuten sowie Compliance der Patienten von äußerster Wichtigkeit.
Eine alleinige Teilresektion der Harnblase bleibt auf wenige Einzelfallindikationen beschränkt, wird jedoch nicht durch die aktuellen Leitlinien empfohlen.
Alle alternativen Therapieoptionen haben jedoch sehr strenge Kriterien in Ihrer Indikationsstellung und bleiben somit auf ein recht überschaubares Patientenklientel beschränkt.
Quelle:
1. (Maibom, S. L., Røder, M. A., Poulsen, A. M., Thind, P. O., Salling, M. L., Salling, L. N., Kehlet, H., Brasso, K., & Joensen, U. N. (2021). Morbidity and Days Alive and Out of Hospital Within 90 Days Following Radical Cystectomy for Bladder Cancer. European urology open science, 28, 1–8. https://doi.org/10.1016/j.euros.2021.03.010)