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Peritonealflap bei roboterassistierter radikaler Prostatektomie

Mit jährlich knapp 61 000 Neuerkrankungen ist das Prostatakarzinom die häufigste Tumorerkrankung bei Männern in Deutschland. Im lokal begrenztem Stadium kann gemäß S3- Leitlinie in kurativer Absicht eine operative Entfernung der Prostata (radikale Prostatovesikulektomie/ rPx) oder eine perkutane Bestrahlung angeboten werden. Die rPx mit beidseitiger Lymphknotenentfernung des kleinen Beckens (pelvine Lymphadenektomie/ PLAE) wird hierbei häufig präferiert, da sie das genaueste Stagingverfahren zur Beurteilung einer lymphogenen Metastasierung bietet und eine individuelle Indikationsstellung für Folgetherapien ermöglicht. Zudem haben Patienten durch die Entfernung von lymphogenen (Mikro-)Metastasen möglicherweise eine bessere Prognose.

Die roboterassistierte rPx ist eine moderne minimalinvasive Operationsmethode, welche in den letzten Jahren zunehmende Popularität erfährt, da sie im Vergleich zur offenen Operation eine vergleichbare onkologische Sicherheit bei geringerer peri- und postoperativer Morbidität bietet. Aber auch bei diesem roboterassistierten Verfahren stellen Lymphozelen die häufigste Komplikation dar. Hierbei handelt es sich um Lymphflüssigkeitsansammlungen nach PLAE, wenn die Lymphflüssigkeit nicht mehr in geregelten Bahnen abfließen kann. Diese Lymphozelen treten vor allem bis zu 3 Monate nach der Operation auf und verlaufen häufig ohne Beschwerden. Wenn sich diese Lymphozelen allerdings entzünden oder ein großes Volumen mit einem hohen Eigengewicht entwickeln, dann kommt es zu einer sogenannten symptomatischen Lymphozele. Blasenentleerungsstörungen, Schmerzen, rheologische Probleme (z.B. Beinschwellung oder eine Thrombose) oder Infektionen bis hin zu einer Blutvergiftung (Sepsis) können die Folge sein. Kommt es zu solch einer symptomatischen Lymphozele wird häufig eine operative Intervention notwendig. Die Punktion mit ggf. Anlage einer Drainage oder eine kleine offene Bauchoperation, die Lymphozelenfensterung, mit Ausbildung eines Abfluss zum Bauchfell, müssen je nach Lymphozelengröße durchgeführt werden.

Während bei der offenen Prostataentfernung das Lymphozelenrisiko je nach Literatur mit 2–61 % angegeben wird, hat die roboterassistierte Methode eine geringere Lymphozelenrate von 9–51 %. Dieser Vorteil lässt sich dadurch erklären, dass die roboterassistierte Methoden im Gegensatz zur offenen Operation einen transperitonealen Zugang nutzt. Durch die grundsätzliche Öffnung des Bauchfells kann die Lymphozelenflüssigkeit abfließen und es entstehen weniger der oben genannten relevanten symptomatischen Lymphozelen. In diesem Kontext stellt sich die Frage, warum es bei der roboterassistierten Operation überhaupt zu der Lymphozelenbildung kommen kann. Die Theorie hinter dieser Tatsache ist, dass das perivesikale Fettgewebe mit dem Lymphozelenbett in Kontakt kommt und vernarbt. Das Peritoneum verschließt sich und die Lymphflüssigkeit kann nicht mehr suffizient abfließen.

Die amerikanische Arbeitsgruppe um Lebeis et al. hat aus diesem Grund im Jahr 2015 eine Modifikation der roboterassistierten Operationsmethode publiziert.

Im Rahmen der Präparation ins kleine Becken wird die Harnblase von der Bauchdecke „abgehängt“. Da die Rückseite der Blasenhinterwand mit Peritoneum überzogen ist, entsteht hierbei ein sogenannter Peritoneallappen („Peritonealflap“). Nach Komplettierung der vesikourethralen Anastomose wird die kraniale Begrenzung des Peritonealflaps ins kleine Becken gezogen und an das perivesikale Fettgewebe der Blasenseitenwand fixiert. Durch diese Reperitonealisierung des kleinen Beckens werden die ventralen und lateralen Blasenanteile in Richtung des PLAE-Gebiets mit Peritoneum bedeckt und sollen einen anhaltenden Lymphabfluss ermöglichen.

Bei der Studie von Lebeis et al. handelte es sich um eine retrospektive Studie an 154 Patienten mit intermediate- oder high-risk PCA, bei der im Rahmen der roboterassistierten rPx 77 Patienten ohne Peritonealflap gegen 78 Patienten mit Peritonelflap verglichen wurden. Hierbei zeigte sich ein klarer Vorteil in der Patientengruppe mit Peritonealflap, bei der keine Lymphozele auftrat. Im Vergleich dazu kam es bei ca. 11% der Patienten ohne Pertonealflap zu einer interventionspflichtigen Lymphozele. Kritik an der Studie muss geübt werden, da neben dem retrospektiven Charakter eine breite individuelle Präferenz des Operateurs zugelassen wurde. So konnte die PLAE uni- oder bilateral durchgeführt werden. Bei einseitiger PLAE konnte auch nur ein einseitiger Peritonealflap erfolgen und das Ausmaß der PLAE war nicht eindeutig vorgegeben.

Um die Aussagekraft der Studie zu evaluieren und den Vorteil des Peritonealflaps prospektiv zu validieren wurde von März bis Dezember 2017 eine multizentrische und prospektiv-randomisierte Einfachblindstudie unter der Leitung der Klinik für Urologie der Universität Regensburg sowie der Abteilung für Urologie und Andrologie, Krankenhaus der Barmherzigen Brüder Wien durchgeführt und im April 2020 im Deutschen Ärzteblatt veröffentlicht. Die roboterassistierte rPx erfolgte standardisiert mit simultaner bilateraler PLAE gemäß Empfehlung der S3- Leitlinie und die symptomatische Lymphozelenrate sowie das Lymphozelenvolumen wurden zum Zeitpunkt der Entlassung sowie nach 90 Tagen gemessen. Hierbei wurden 108 Patienten mit Peritonealflap gegen 124 Patienten ohne Peritonealflap verglichen. Während zum Zeitpunkt der Entlassung in beiden Gruppen nur ca. 1 % der Patienten eine symptomatische Lymphozele aufwies, klagten ca. 9 % der Patienten in beiden Gruppen 90 Tage nach der Operation über entsprechende Lymphozelenbeschwerden. In beiden Gruppen wurde in ca. 5 % eine Drainagenanlage mit Sklerosierung notwendig, während eine laparoskopische Lymphozelenresektion in ca. 3 % durchgeführt werden musste.

Die Studie kam zu dem Ergebnis, dass die Verwendung eines Peritonealflaps weder die Rate an symptomatischen Lymphozelen, noch das Lymphozelenvolumen statistisch signifikant reduzieren konnte. Darüber hinaus konnte in den ersten drei Monaten nach der roboterassistierten rPx kein statistisch signifikanter Unterschied im Hinblick auf die Gesamtkomplikationsrate, auf die Art und die Frequenz der Lymphozelentherapie, sowie auf die Kontinenzsituation festgestellt werden.

Diese prospektiven Studienergebnisse stehen somit im Widerspruch zu den Ergebnissen vorher publizierter retrospektiver Studienergebnisse und sehen keinen Vorteil in der Durchführung eines Pertionealflaps. Allerdings stellt der Peritonealflap eine sichere operative Modifikation der roboterassistierten rPx dar, ohne negative Auswirkungen auf die operative oder onkologische Sicherheit.